Das Schokoladenmädchen

Das Schokoladenmädchen (“La Belle Chocolatière”)

Das Wiener Schokoladenmädchen (“La Belle Chocolatière de Vienne”), eine Pastellmalerei auf Pergament (82,5 × 52,5 cm) von Jean-Étienne Liotard, entstand zwischen 1743 und 1745, vielleicht Dezember 1744.[1] Der Künstler hielt sich in dieser Zeit auf Wunsch der Kaiserin Maria Theresia in Wien auf.[2] Hier malte er sein berühmtestes Pastellbild, das Porträt eines Stubenmädchens.

Dresden

Francesco Algarotti von Jean-Étienne Liotard (1745)

Selbstporträt Liotard (1744) in den Uffizien

Am 3. Februar 1745 kaufte Francesco Graf von Algarotti es in Venedig als er im Auftrag des Königs August III. Kurfürst von Sachsen für die Dresdener Sammlung in Italien war.[3] Ob Liotard sich schon in Venedig aufhielt wegen der Gründung einer Lotterie, ist unklar.[4] Immerhin porträtierte er Algarotti in diesem Jahr.

Im September 1746 war Algarotti zurück von seiner (dritten) Reise in Italien.[5] Er schrieb in diesem Jahr an den Premierminister Heinrich von Brühl, einem Sammler und engen Vertrauten des Königs:

Alle venezianischen Maler und auch Rosalba Carriera selbst betrachteten das “Schokoladenmädchen” als das schönste Pastell, das man je gesehen hat.“

In einem Brief an seinen Freund Pierre-Jean Mariette schrieb Algarotti 1751:

Ich habe von dem berühmten Liotard ein Pastellbild von ungefähr 3 Fuß Höhe gekauft. Es stellt ein junges deutsches Kammermädchen im Profil dar, das ein Tablett mit einem Glas Wasser und einer Tasse Schokolade darauf trägt. Die Malerei ist fast ohne Schatten, vor hellem Grund, und sie erhält ihr Licht von zwei Fenstern, die sich in dem Glas spiegeln. Sie ist in Halbtönen gearbeitet, mit unmerklichen Stufungen des Lichts, und von einem perfekten Relief ... und obwohl es Malerei aus Europa ist, könnte es nach dem Geschmack der Chinesen sein, geschworenen Feinden des Schattens, wie Sie wissen. Was die Vollendung des Werkes angeht, so ist es ein Holbein in Pastell.[6][7]

Sondermarke der DDR anlässlich der Rückgabe des Bildes aus der UdSSR

Die Bilder zeitgenössischer Maler waren bis dahin an unterschiedlichen Orten in Wohn- und Repräsentationsräumen verstreut und nicht öffentlich zugänglich gewesen. [8]

Seit 1855 wird es in der Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden ausgestellt.[2] Während des Zweiten Weltkrieges war das Bild in die Kasematten der Festung Königstein ausgelagert, um es vor Bombenschäden zu schützen. Nach dem Einmarsch der Roten Armee wurde das Gemälde aufgespürt und mit den anderen eingelagerten Kunstschätzen in die Sowjetunion gebracht, von wo es 1955 wieder zurückkehrte. Anlässlich der Rückgabe brachte die DDR im Dezember 1955 eine Sonderbriefmarke heraus.

Das Schokoladenmädchen als Markenzeichen

Droste Cacao from Thailand.jpg

Als Henry L. Pierce, der damalige Präsident der amerikanischen Walter Baker & Company, Dorchester, das Schokoladenmädchen (1881?)[9] auf seiner Geschäftsreise in der Gemäldegalerie in Dresden sah, beschloss er, dieses Bild zum Markenzeichen für Baker’s Kakao zu machen und auf seine Kakaodosen zu drucken. Das Warenzeichen wurde 1883 eingetragen.[10] Der Erfolg dieses Markenzeichens war so groß, dass weitere Firmen, wie Droste, H. de Jong Wormerveer, Van Houten, allen aus den Niederlanden und Rowntree’s Großbritannien das Bild in abgewandelter und angepasster Form ebenfalls als eigene Markenzeichen verwandten.[11]

Mythe: Nandl, Anna oder Charlotte Baldauf

Die Gartenlaube (1893) KB10 b 579.jpg

Das Porträt war bis 1837 [12] namenlos wie auch hier behauptet wird.[1] Allgarotti’s Tagebuch bezeichnet die Dargestellte bloß als “une Stoubenmensche” und die ältesten Kataloge (1765 [13]) als “wiener Stuben mensch”, das ist nach Wiener Sprachgebrauch ein in einem Kaffeehaus aufwartendes Mädchen.[14] Trotzdem sind einige Namen mit diesem Gemälde verbunden:

  • ‘Nandl Baldauf’ oder Nannerl scheint die Tochter eines Wiener Kutschers gewesen zu sein, die im Hofdienst stand.[2]
  • Anna Baldauf (1757-1815) kann es nicht gewesen sein. In dem “Führer in der Königlichen Gemälde-Galerie zu Dresden” (von 1864) wird „Das berühmte Wiener Chocoladenmädchen“ wie folgt beschrieben:
Sie war um 1730 in Wien geboren, hiess Anna Baldauf und war als „schöne Nannerl“ berühmt. Sie ist aber nicht mit der Wienerin Anna Baldauf zu verwechseln, welche 23. Juli 1802 mit dem Fürsten Johann Baptista Karl Walther von Dietrichstein vermählt ward und, seit 25. Mai 1808 Witwe, 25. Febr. 1815 starb.

(Anna hat 1802 einen Grafen Karl Johann von Dietrichstein-Proskau-Leslie (* 1728, † 1808) geheiratet).

  • Charlotte Baldauf soll die Tochter eines Wiener Bankiers gewesen sein bei dem Liotard sich aufhielt.[15]

Einzelnachweise

Poster für Schokolade von Van Houten door J.G. van Caspel, 1899

  • Harald Marx: Ein Rundgang durch die Dresdener Gemälde-Galerie Alte Meister. Staatliche Kunstsammlungen Dresden. PSF 450 – BN 93677903 – JG 71/15/81 (20/80)
  1. www.cicero.de: Porträt einer Namenlosen
  2. Walter Koschatzky (Hrsg.): Maria Theresia und ihre Zeit, p. 313. Zur 200. Wiederkehr des Todestages. Ausstellung 13. Mai bis 26. Oktober 1980, Wien, Schloß Schönbrunn. Im Auftrag der Österreichischen Bundesregierung veranstaltet vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Gistel, Wien 1980.
  3. Meyers Konversations-Lexikon pdf 4 KB
  4. Marcel Roethlisberger & Renée Loche Liotard: catalogue, sources et correspondance, Volume 1. S. 336. [1]
  5. Hans Posse, Die Briefe des Grafen Francesco Algarotti an den Sächsischen Hof und seine Bilderkäufe für die Dresdner Gemäldegalerie 1743-1747. In: Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen, S. 29, 33. Bd 52: Beih. Berlin: Grote 1931
  6. François Fosca La Vie, les Voyages et les Oeuvres de Jean-Étienne Liotard. Citoyen de Genève, dit Le Peintre turc, S. 30. La Bibliothèque des Arts. Lausanne – Paris.
  7. Der italienische Originaltext
  8. http://www.dresden-und-sachsen.de/geschichte/bildende_kunst.htm
  9. Verschiedene Quellen nennen auch ein anderes Datum
  10. Walter Baker & Company
  11. Die Geschichte als Markenzeichen
  12. Friedrich Matthäi: Verzeichniss der Königlich Sächsischen Gemälde-Galerie zu Dresden, Dresden 1837 [2]
  13. http://www.zeit.de/zeitlaeufte/dresdenmacher
  14. Katalog Dresdner Sammlung 1864 von Wilhelm Schäfer [3]
  15. Jean-Etienne Liotard

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